Wettbewerb GFZ-Kaserne Mainz, 2. Preis

WETTBEWERBE Ort: Mainz
Jahr: 2018
Größe: 10 ha
Auftraggeber: Landeshauptstadt Mainz

Städtebauliches Leitbild

Im Stadtgewebe entsteht ein vielfältiger Ring urbaner Bausteine, in Dichte und Eigenart allseitig flexibel auf ihre Umgebung reagierend als verblüffende Spanne urbaner Lebensräume.

Stadtteilzentrum als differenzierte Einheit:

  • nordwestlicher Quartiersauftakt durch prägnantes Gebäude sowie angrenzenden
  • Entréeraum zur Einkaufsgasse
  • Stadtgarten und Stadtplatz mit Wasserspiel als geschützte Quartiersmitte und Teil der Freiraumverbindung

Gesamtquartier als gestalterische Einheit: klare Bezüge, Quartiersmitte und Orthogonalität.

Drei Adresslagen mit individuellen Identitäten:

  • Nordwestkante bildet klaren Rücken: Lärmschutz + Adresslage Gewerbe.
  • südöstlich mit Landschaftsraum verzahnte Wohnhöfe/Punktbauten: innerstädtische Wohnlage im Grünen
  • Kernbereich mit Lagegunst am Quartierspark

Einbindung des neuen Quartiers durch Aufnahme ankommender Wegeverbindungen und Schaffung einer optimal vernetzten Quartiersmitte.

Grün- und Freiraumkonzept

KARTESIANSICHES GRÜN

Die orthogonale Erschließung der Kaserne wird als „weiches“ Koordinatensystem mit grünen Ordinaten und Abszissen weiterentwickelt. Es wird in ein differenziertes Freiraumgewebe aus Alleen und Plätzen, Gärten und Grünzügen transformiert – das neue Quartier wird in die vielfältigen äußeren Anknüpfungslinien eingewoben und die vormalige Hermetik überwunden.

Die signifikante urbane Raumfolge zwischen Stadtentrée, Gasse und Stadtplatz bildet als Angebot für die Oberstadt als Ganzes eine vitale stadträumliche Begegnungszone aus. Steinerne, baumbestandene Stadträume bilden ein robustes urbanes Fundament für diesen intensivsten Stadtbereich. Das Element Wasser in verschiedenen Formen hilft bei der Klimatisierung. Als Komplementär des Stadtplatzes fungiert der neue Stadtgarten als grünes Herz des Quartiers, und wird südseitig in die Gartenabszisse des zentralen Ost-West-Grünzugs eingebunden.

Die Strenge der „kartesianischen“ Ordnung mit ihren Achsen kontrastiert im Detail mit einer ausdrucksstarken und üppigen pflanzlichen Gestaltung. Für den Erhalt der prägenden Baumgestalten wird viel Raum gelassen. Der außerordentlich großzügige zentrale Alleenring mit seinem hohen Grünanteil im Straßenraum wird zum Teil der Quartiersidentität. Die äußeren Ansichten sind geprägt von den rahmenden Alleen und Baumreihen der Jägerstraße und des Landwehrweges. Für die Stadt Mainz als Ganzes ist die Bildwirkung der Baumkulisse mit der neuen Stadtkante am Pariser Platz wesentlich.

Die Freiraumstrukturen dienen neben der inneren Erschließung auch dem nachhaltigen Regenwassermanagement (s. E6), aber auch der Bereitstellung von Spielplatzflächen für den allgemeinen Bedarf. Neben der Funktion der Naherholung und der Spiel- und Sportnutzung sind in diese Strukturen Mulden-Rigolen-Systeme eingearbeitet, die zur Aufbereitung und Retention des Regenwassers dienen. Zudem werden im Ost-West-Grünzug größere Flächen für die Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser bei Starkregenereignissen vorgehalten.

Verkehrskonzept

Die innere Ringerschließung ist das Rückgrat der MIV-Erschließung. An zwei Stellen wird der Ring modifiziert:

  • Ausbildung des oberen Ringschlusses als langsam überfahrbare Platzfläche im Mischprinzip: Unterbindung Schleichverkehre + Stadtentrée, Einkaufsgasse, Stadtplatzplatz und Stadtgarten bilden eine gestalterisch, räumlich und funktional zusammenhängende Einheit als Stadtteilzentrum Oberstadt;
  • Verschiebung des südlichen Ringschlusses etwas weiter nach Süden.

An der Ringerschließung liegen alle Besucherstellplätze (notwendig: 42 Stpl. / vorhanden: 45 Stpl.) und sämtliche TG-Zufahrten.
Die Wohnwege und Wohnhöfe sind nur von Anwohnern und Sonderverkehren befahrbar, Parken ist verboten, Halten (Abholen, Ausladen, Liefern etc.) möglich.
Die Einkaufsgasse ist nur für Sonderverkehre befahrbar (z.B. Anlieferung)

Von den nahegelegenen Haltestellen ist das Stadtentrée und damit das Quartier gut und attraktiv erreichbar.

Der Rad- und Fußverkehr wird an den Rändern des Quartiers geführt. Hauptachsen (Ordinaten) sind in Nord-Süd-Richtung die Jägerstraße im Osten und in Ost-West-Richtung der Landwehrweg und der neue Quartiersgrünzug (Abszissen), der die Quartiersmitte mit den umgebenden Freiraumstrukturen verbindet.

Der Ost-West-Grünzug dient neben der Regenwasserretention der Anbindung der Sportanlagen Schillstraße an das neue Quartier und der Vervollständigung des bestehenden Freiraumsystems mit Kleingartenanlagen und Drususwall. Alle Verbindungen sind als kombinierte Fuß- und Radwege ausgebildet. Die Ringstraße im Quartier wurde so dimensioniert, dass der Fahrradverkehr auf der Fahrbahn (Tempo 30) geführt wird. Die Fahrradstellplätze befinden sich in den Straßenrandzonen.

Nachhaltigkeit

NACHHALTIGE GEBÄUDE
Der Entwurf leistet einen Beitrag zu den übergeordneten Zielen der Stadt Mainz als „Masterplankommune 100% Klimaschutz“ durch eine CO2 neutrale Energieversorgung und aktive regenerative Energieproduktion über den eigenen Bedarf des Quartiers hinaus. Grundlage hierfür bilden Neubauten mit hocheffizienter Gebäudehülle, welche unter minimalem Einsatz grauer Energien errichtet werden. Es wird angestrebt alle neuen Gebäude in nachhaltiger Holz-, oder Holzhybridbauweise zu errichten. Auf eine reine Nord-Süd-Orientierung aller Baukörper wird zugunsten einer verdichteten und kompakten städtebaulichen Struktur verzichtet.

„ENERGIE RING“
Der verbliebene geringe Restenergiebedarf wird semizentral sowie zentral über einen „Energie Ring“ gedeckt. Der Ring setzt sich dabei aus einem bidirektional nutzbaren kalten Nahwärmenetz zusammen. Sowohl eine Entnahme von Wärme (z.B. für den Wärmepumpenbetrieb), als auch eine Einspeisung (z.B. aus Abwärme, Solarthermie, etc.) ist möglich. An den Ring koppeln sich Erzeuger und Verbraucher mit einer Mischung aus semizentralen Biomasse Kraft-Wärme-Anlagen (KWK) und dezentralen Wärmepumpen an. Durch entsprechende Wärmepuffer- und Batteriespeicher können fluktuierende Energien im Quartier gespeichert werden. Nicht selbstgenutzte Stromüberschüsse werden netzdienlich an die Umgebung des neuen Quartiers weitergegeben.

NACHHALTIGES REGENWASSERMANAGEMENT
Zur Klimaanpassung leistet das neue Gebiet durch seine architektonische und freiräumliche Beschaffenheit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Mikroklimas und zum Schutz vor prognostizierten zunehmenden Extremwetterereignissen (Hitzeperioden, Starkregen, etc.). Ziel ist es, eine umfangreiche quartiersinterne Retention, Verdunstung und Versickerung allen anfallenden Regenwassers zu realisieren. Zur Entwässerung der Straßenräume sind parallel zur Fahrbahn verlaufende offene Mulden vorgesehen. Dort wird das Wasser gesammelt, über eine belebte Bodenzone gereinigt und über ein Kiesbett versickert. Der temporäre sichtbare Anstau von Wasser bei Starkregenereignissen unterstützt die Verdunstung und sensibilisiert die zukünftigen Quartiersbewohner für wechselnde Wetterereignisse. Alle Mulden sind kaskadenartig über ein Rohrsystem miteinander verbunden und münden in einer zentralen Muldenlandschaft, welche im Ost-West-Grünzug vorgesehen ist. Die kombinierten Gründächer drosseln den Regenabfluss der Dachflächen. Das ablaufende Regenwasser wird am Gebäude gesammelt und als Betriebswasser für die Toilettenspülung und Waschmaschine bereitgestellt. Regenwasser privater Freiflächen wird dezentral auf dem Grundstück über entsprechende Einrichtungen (z.B. Mulden, Schächte, etc.) versickert.

mit:

SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH, Landschaftsarchitektur

performative architektur, Energieplanng

werk3.berlin, Visualisierung