Städtebaulicher Wettbewerb Heidelberg Campus II "Zollhofgarten", 1. Preis

STÄDTEBAU WETTBEWERBE Ort: Heidelberg
Jahr: 2009
Größe: 20
Auftraggeber: Stadt Heidelberg

Stadt-Campus Zollhof
Eine imagebildende Initialphase, ein markantes System öffentlicher Räume und ein zukunftsoffener Nutzungsmix in identitätsbildender Architektur sind die Eckpunkte der Stadtwerdung am Zollhof.

Leben in der Stadt – Städtebauliche Grundsätze
Initialzelle Lagerhaus und Zollhofgarten
Mit ihren derzeitigen Kulturnutzungen bildet die alte Lagerhalle ein wichtiges Initial und wird daher durch den neuen Zollhofgarten freigestellt. Die Lage, Form und Proportion des Zollhofgartens richten sich nach der alten Lagerhalle. Sie ist das letzte Element, das unmittelbar an die ehemalige Nutzung erinnert und somit zum image- und adressbildenden Objekt des Ortes wird. Die Lagerhalle kann sich im Laufe des Entwicklungsprozesses auf Basis des Rampensockels baulich transformieren. Die kulturellen Nutzungen werden als Raumpioniere bewusst gefördert und gesteuert. Der Image-Transfer beginnt. Im Wasserturm wird zeitweise eine Infostation mit Fernblick über das Gebiet eingerichtet.

Merkzeichen und Markante Öffentliche Räume
Das neue Quartier wird durch die übergeordnete Nord-Süd-Achse von der Universität Heidelberg über den Neckar, den Hauptbahnhof, die Bahnstadt bis zur Landschaft eingebunden. Innerhalb des Stadt-Campus wird die Güteramtstraße als Teil dieser Achse über eine Platzfolge (Bahnhofsplatz- Süd – Science-Tower – Landschaftsbalkon) aufgewertet. Das städtebaulich-räumliche Gelenk “Hauptbahnhof – Science-Tower – Zollhofgarten” verbindet den Bahnhofvorplatz mit dem zentralen Element des Stadt-Campus und leitet intuitiv in das Herz der Bahnstadt. Die Morphologie des neuen Quartiers bildet eine robuste städtebauliche Grundstruktur mit hoher Flexibilität. Sie gliedert sich in vier Zonen mit unterschiedlichen Baufeldgrößen. Nördlich im Übergang zur Stadt befinden sich kleine, kompakt bebaute Baufelder mit hoher Dichte. Südlich, im Übergang zum Wohnen an der Promenade und zur Landschaft, liegen bewährte, mit Blöcken bebaute Baufelder. Die Höfe der Blöcke am Langen Anger sind über Öffnungen im Blockrand zugänglich. Östlich, als Erweiterung des Technologieparks bieten große Baufelder ausreichend Platz für die Integration flächenintensiver Produktions- und Forschungseinrichtungen im Blockinneren. Die keilförmige, transitorische Zone zwischen Hauptbahnhof und Landschaftsraum ermöglicht innerhalb der urbanen, robusten Blockstruktur mit hoher Dichte die Integration unterschiedlicher Nutzungen
und des geplanten Neubaus. Die Vernetzung des Stadt-Campus mit den angrenzenden Quartieren erfolgt über die Aufnahme äußerer Straßen- und Wegebeziehungen. Ein inneres Netz kurzer Wege ermöglicht die Berücksichtigung bestehender Nutzungen und Eigentumsverhältnisse sowie die Integration der vorhandenen Straße nördlich des Gartencenters. Die Haupterschließung erfolgt über die aufgewertete Güteramtstraße. Die Anliegerstraßen ermöglichen das Halten und Parken auf der sieben Meter breiten Fahrbahn. Nördlich des Zollhofgartens werden sie als Mischverkehrsflächen angelegt.

Lebendige Stadt – Gemischte Stadt
Ziel ist ein belebtes urbanes Stadtquartier mit unterschiedlichen Nutzungen. Ausgangspunkt ist die alte Lagerhalle mit Kulur- und Gastronomieeinrichtungen sowie die Platzfolge entlang der Güteramtstraße mit der höchsten Nutzungsmischung im Umfeld des Science-Towers (Einzelhandel, Gastronomie,
Konferenz, Mediathek, Forschung, Büro). Um den Zollhofgarten befinden sich überwiegend von der Jarecki-Stiftung initiierte Einrichtungen (Forschung/ Entwicklung, Büro/Dienstleistung, Labor/ Produktion, Institute). Enlang des Langen Angers sind gemischte Nutzungen mit hohem Wohnanteil vorgesehen. Der Technologiepark am östlichen Rand des Entwurfsgebiets wird durch überwiegend
Produktionseinrichtungen ergänzt. Die stufenweise Realisierung des Stadt-Campus ist aufgrund der bestehenden Eigentumsverhältnisse und einer flexiblen, zukunftsoffenen Entwicklung von hoher Bedeutung. In der frühen Phase des Place-Making bilden die Lagerhalle und der Zollhofgarten das zündende Initial, der Wasserturm wird zur Schaustelle für die gesamte Bahnstadt. In der ersten Bauphase wird das konstituierende Raumgelenk auf den frühzeitig zur Verfügung stehenden Baufeldern (z.B. Z3, T1) zwischen Hauptbahnhof und Zollhofgarten entwickelt. In diesem Zug wird die Güteramtstraße aufgewertet und die Straße südlich des Zollhofgartens durchgebunden. In der anschließenden Konsolidierungsphase erfolgt die blockweise Bebauung der Baufelder nach Bedarf. Die angestrebte räumliche Ordnung ist bereits in dieser Phase hergestellt. In der abschließenden Komplettierungsphase erfolgt die Umgestaltung der bisher durch bestehende Nutzer beanspruchten Flächen.

Die Architektur
Der Hochpunkt des Sciene-Towers bildet aus Richtung Bahnhof kommend den Auftakt zum neuen Stadtquartier des Stadt-Campus am Zollhof. Er dient sowohl als signifikantes, verbindendes Element als auch als Filter zwischen Hauptbahnhof Süd und dem Zollhofquartier. In Anlehnung an die öffentlichen Bauten Heidelbergs
betont der Science-Tower seine besondere Stellung innerhalb des Quartiers mittels einer auffälligen Materialität mit kräftiger Farbgebung. Die Betonung von öffentlichen Nutzungen setzt sich in den Arkaden und den Sockelzonen der Instituts und Forschungsbauten um den Zollhofgarten herum fort. Der Stadt-Campus Zollhof erhält somit eine identitätsstiftende Erdgeschosszone, die das Ensemble um den zentralen Freiraum herum prägt und mit Nutzungen wie Foyers, Ausstellungs- und Präsentationsräume, Cafeterien und ähnlichem zur Adressenbildung beiträgt. In den Obergeschossen befinden sich die internen Nutzungen. Die horizontale Fassadengliederung betont den dynamischen Charakter der Forschungs-, Produktions- und Dienstleistungsnutzungen des Quartiers. Sie stellt bewusst einen deutlichen Kontrast zur Sockelzone dar und steht für die Verbindung von Wertigkeit mit Innovation. Eine modular gegliederte Grundrissstruktur ermöglicht unterschiedliche Organisationstypologien mit hoher Flexibilität der Nutzung. Die Bebauung reagiert jeweils auf die räumliche und städtebauliche Situation. Die Blöcke nördlich des Zollhofgartens bestehen aus einer mäandrierenden Struktur, die sowohl Bezug zur Grünen Meile als auch zum Zollhofgarten aufnimmt und zwischen den Stadträumen vermittelt. Die Bebauungen westlich und südlich des Zollhofgartens verzahnen sich mittels Dachterrassen und Loggien zum Freiraum, wodurch eine lebendige Stadtsilhouette entsteht.

Das Freiraumsystem
Die vorgeschlagene bauliche Struktur des Stadt-Campus erzeugt ein differenziertes System städtischer Räume. Ist die Entwicklung des Gebiets abgeschlossen, zeichnet es sich durch einen sorgfältig formulierten Kanon aus Plätzen und Park, gefassten Stadtstraßen und zurückgezogenen Hofräumen aus. Stadtbildprägend und identitätsstiftend ist dabei das Gelenk aus der Platzfolge Bahnhof-Science Tower an der Achse Güteramtsstraße mit dem Zollhofgarten. Städtisch steinerner Raum und Grünraum gehen dabei eine spannende Korrespondenz ein. Mit dem Zollhofgarten wird eine Initialzelle, eine grüner Pionier in die Brache eingepflanzt. Am Ende der Entwicklung bildet der Garten das grüne Herz des Quartiers.

 

Zollhofgarten
Mit dem Zollhofgarten beginnt alles. Die bestehenden Kulturnutzungen werden konsequent ausgebaut und um Sport-, Spiel- und Eventangebote ergänzt. Eine Imagebildung in dem neuen Quartier setzt ein. Ausgehend von der Lagerhalle wird der Zollhofgarten entwickelt und mit Initialnutzungen besetzt. Der Park wie auch die Gebäudestruktur werden dabei als eine Art Platine verstanden die unterschiedlich bespielt und auch unterschiedlich baulich interpretiert werden können. Es gelten dabei Spielregeln die Qualität und Kohärenz des gereiften Entwicklungsstadiums sicherstellen sollen. Es wird vorgeschlagen die Lagerhalle in nutzbare Einzelsequenzen zu fragmentieren und mit Freiräumen für Veranstaltungen und Gastronomie zu durchdringen. Die erhöhte Geschossebene bleibt als Plateau dabei durchgängig erhalten. Es entsteht eine herausgehobene Bühnen- und Betrachtungsebene. Die Halle ist eingebettet in eine Parkfigur die in ihrer linearen Organisation an die Geschichte des Geländes als Bahnhof und Gleisanlage erinnert. Dieses schlichte Regularium wird gefüllt mit Baumreihen, Hainen, Pflaster- und Rasenstreifen, Hecken und Vegetationsbänder. In dieser robusten Anordnung sind viele auch temporäre Nutzungsintarsien denkbar. Als Endausbau vorgeschlagen wird eine Fassung des Raums nach Norden mit einer strengen Baumreihe im Pflasterbelag und nach Süden mit einem transparenten Birkenhain. Im Schatten der in einem lockeren Raster angeordneten Birken sind kleine Spielstationen und Sitzplätze eingeordnet. Zwischen dem Hain und dem Lagerhaus entsteht ein nutzungsoffener Rasenraum.

Die Platzfolge
Mit dem Science Tower entsteht an der Czernystraße eine spannungsvolle Torsituation für das neue Quartier und das transitorische Band bis zum Landschaftsbalkon im Süden. Der südliche Bahnhofsplatz wird dabei keilförmig nach Süden in das Gebiet verlängert und damit mit dem Zollhofgarten verknüpft. Der Science Tower als Solitär verbindet und gliedert diese Platzräume. Er ist Raumschleuse und markantes Merkzeichen in einem. Der Bahnhofsplatz ist zum einen selbstverständlich Verkehrsplatz mit Raum für die Vorfahrt und die Anlieferung. Nach Norden hin wird er in Überbauung der Verkehrsflächen darunter zum Stadtbalkon mit Blick über die Gleisschneise. Ein Baumraster greift das
Motiv des Landschaftsbalkons ins Städtische gewendet auf. Ein Wasserspiel schafft optisch und akustisch Distanz zum Verkehrsraum im Süden. Der Platz am Science Tower umspült den Turm und ist als steinerner Platz interpretiert. Es werden dabei Verknüpfungen zum Zollhofgarten deutlich. Die Rasterung seines Plattenbelages korrespondiert mit der linearen Gliederung des Zollhofgartens. Als südlicher Raumabschluss wird der Birkenhain des Zollhofgartens auf den Platz geholt. Besondere räumliche Qualität erhält der Platz durch die Tiefenstaffelung des Arkadengangs der Platzkante.

Straßen und Höfe
Die Straßenräume weisen bewusst ein eher enges Raumprofil auf, in dem Bäume Raum finden aber dennoch städtische Dichte spürbar wird. Die Profile sind so formuliert, dass die Bäume auf den Gehwegen stehen, geparkt wird auf den Fahrbahnen. Die Auswahl der Baumarten folgt dem Masterplan Bahnstadt, im Nord-Süd-Richtung werden kleinerkronige Blütenbäume gepflanzt, in Ost-West-Richtung klassische Großbäume. Das Quartier weist auch abseits der Strassen immer wieder Durchlässigkeiten auf. Die Höfe reagieren mit ihren schlichten Strukturen aus grünen und steinernen Flächen auf die Nutzungen der Gebäude und laden durchaus zum Erkunden ein . Der Weg durch die Höfe wird vielleicht spannend, allerdings selten der kürzeste sein.