Nachbarschaftszentrum - Flensburg Weiche

ALLGEMEIN STÄDTEBAU Ort: Flensburg
Jahr: 2021
Größe: rd. 12 ha
Auftraggeber: Stadt Flensburg

Dreiklang: Waldviertel – Mühlentalsiedlung – Friedensquartier

Der städtebauliche Dreiklang aus arrondiertem Waldviertel im Norden, geplanter Mühlentalsiedlung im Westen und neuem Friedensquartier im Süden rückt den bestehenden kirchlichen Standort mit Kita in den Mittelpunkt und ergänzt diesen durch belebende kommerzielle, kontemplative und soziale Nutzungen in neuen Gebäuden und Freiräumen zu einem integrierten Nachbarschaftszentrum.

Städtebau und Atmosphären
Das städtebaulich-freiräumliche Grundgerüst besitzt eine ausgeprägte Robustheit um die prägenden Entwurfsparameter und Qualitäten langfristig zu sichern und ist gleichzeitig durch eine hohe Flexibilität gekennzeichnet, um adaptiv auf künftige Veränderungen ortsspezifischer Rahmenbedingungen, ein sich wandelndes Mobilitätsverhalten und individuelle Wohnvorstellungen oder Nutzungsansprüche reagieren zu können.

Der Entwurf ist klar in zwei eigenständige Einheiten – Waldviertel und Vorstadtquartier – untergliedert. Beide Einheiten bilden individuelle städtebauliche und freiräumliche Qualitäten, spezifische Atmosphären des Wohnens und räumlich-funktionale Identitäten aus:

FRIEDENSQUARTIER
Dieses vorstädtische Quartier stellt eine neue baulich-räumliche Setzung dar, welche sich aus den bestehenden Freiraumstrukturen und dem Bezug zu Bestandsgebäuden ableitet. Prägend ist die Raumfolge in Ost-Westrichtung welche aus einem belebten Nachbarschaftsplatz im Westen und zwei ruhigen Wohnhöfen weiter östlich besteht. Hierdurch erhalten alle Gebäude eine hochwertige individuelle Adresse. Ein Mix an unterschiedlichen Typologien und Wohnformen stärkt die Vielfalt in Weiche. Im Kern befinden sich zwei- bis dreigeschossige Gebäude. Im äußeren Saum ermöglichen Stadtvillen möglichst vielen Bewohnern ein Leben im Grünen und formulieren gleichzeitig ein selbstbewusstes Erscheinungsbild. Im Nordwesten befindet sich mit dem Quartiershaus, mit der Nachbarschaftsgarage Süd mit integriertem Einzelhandel im EG sowie angrenzenden weiteren Sondernutzungen ein neuer Ankerpunkt des Nachbarschaftszentrums. Mit der Streuobstwiese im Nordosten befindet sich hier ein zweiter Ankerpunkt.

WALDVIERTEL
Dieser Stadtbaustein greift die umgebenden waldartigen Strukturen auf und arrondiert die Bestandsgebäude zum Waldviertel Weiche. Das Wohnumfeld ist geprägt von großen Bäumen, viel Grünräumen und minimaler Erschließung als multimodalen Räumen. Die gebrochen-lineare Anordnung der Gebäude in Nord-Süd-Richtung zieht den Wald bis weit in das Quartier hinein und verzahnt sich mit den Waldstrukturen im Bereich der Husumer Straße. Auch hier sorgt die Mischung unterschiedlichster Haus- und Wohnformen für eine gemischte Bewohnerschaft. Gleichzeitig bilden kleinere, flachere Typologien die Schnittstelle zum Bestand und Stadtvillen nutzen die Lagegunst der Südlage am Waldrand. Ein kleiner trichterförmiger Anger bildet eine räumliche und funktionale Fuge zwischen Wohnen und wohnverträglichen Gewerbenutzungen sowie der Nachbarschaftsgarage Nord aus. Der dreieckige Freiraum nördlich des Kirchengrundstücks bildet den dritten Ankerpunkt des Nachbarschaftszentrums Weiche und ist geprägt von gemeinschaftlichen Nutzungen und nachbarschaftlichen Aktivitäten.

Freiraum und Nutzungen
Drei Ankerpunkte mit individuellen Atmosphären – vernetzt durch einen dreieckigen Loop – bilden gemeinsam mit dem Kirchenareal das neue Nachbarschaftszentrum Weiche. Dabei können die Kirchenflächen als funktionales und räumliches Bindeglied flexibel mit eingebunden werden.

ANKERPUNKT LEBENDIGE MITTE
Das Nachbarschaftshaus mit vielfältigen sozialen und nachbarschaftlichen Angeboten, die Quartiersgarage mit integriertem Einzelhandel als zwei Frequenzbringer und weitere belebende EG-Nutzungen im direkten Umfeld ermöglichen eine aktive Mitte.

ANKERPUNKT NATURNAHE ERHOLUNG
Eine Streuobstwiese mit alten Obstsorten, bienenfreundlichen Blühwiesen, ergänzten Knicks und der Möglichkeit des gemeinschaftlichen Gärtnerns bilden eine attraktive Schnittstelle zur Landschaft für Mensch und Natur.

ANKERPUNKT AKTIVE GEMEINSCHAFT
Der dreieckig geformte Freiraum soll in Eigeninitiative der neuen und alten Bewohner geplant, gestaltet und bespielt werden. Denkbare Projekte sind ein Abenteuerspielplatz, ein Baumhaus, ein Teich, ein Minikleintiergehege, ein Tipi usw.

Die privaten Freiräume befinden sich rund um die Gebäude. Dabei bilden Vorgärten die Schnittstelle zwischen öffentlichem und privatem Raum. Gemeinschaftliche grüne Höfe ergänzen das Freiraumangebot in den drei größeren Baufeldern im Süden.

Architektur und Vielfalt
Um die Vielfalt im Quartier und Bestand zu stärken wird ein möglichst breiter Mix an Typologien vorgeschlagen. Auch das Angebot der Wohnformen soll entsprechend groß und flexibel sein: vom Reihenhaus über kleine, mittlere und große Wohnungen in den Stadtvillen bis hin zu Sonderwohnformen für ältere Menschen. Dabei sollten auch die Trägerschaft und Eigentümerstruktur möglichst breit sein. Für besonders prägnante Gebäude wird ein konkurrierendes Verfahren, idealerweise mit Konzeptvergabe, empfohlen.

Mobilität und Nachbarschaft
Das neue Nachbarschaftszentrum eröffnet die Chance auf einen Stadtbaustein der kurzen Wege und damit die Fokussierung auf die Nahmobilität. Um einerseits den Verkehr zu begrenzen und gleichzeitig die Mobilität zu fördern stehen sichere und attraktive Wegenetze für Fußgänger und Radfahrer sowie mehrfachgenutzte Mischprofile als „Nachbarschaftsflächen“ im Vordergrund des Erschließungskonzeptes.
Zwei dezentrale Nachbarschaftsgaragen sorgen für möglichst kurze Fußwege zu den Wohnungen, bündeln die privaten Stellplätze und fangen die Verkehre früh ab. Damit bleiben die Erschließungsflächen im Quartier weitgehend frei von Autos und können als mehrfachcodierte Freiräume im Mischprofil mit begleitendem Grünstreifen für Bäume und zur Versickerung ausgebildet werden.
In den Nachbarschaftsgaragen mit Mobilitätsstation befinden sich auch sichere Fahrradstellplätze/-boxen, ein Sharing-Angebot, Warenboxen sowie optional ein Umladepunkt für die Lieferung der letzten Meile per Lastenrad. Die Dachflächen können als Gründach mit PV-Anlagen und Miniwindrädern einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten oder durch die aktive einen besonderen Nachbarschaftsort generieren.

Nachhaltigkeit und Lebensqualität
Die neuen Stadtbausteine ermöglichen das Idealbild eines klimaneutralen, nachhaltigen Stadtquartiers. Hier fließen nicht nur Stoffkreisläufe zusammen, sondern hier wird auch die Grundlage für neue lokale Wertschöpfungsketten im Stadtteil gelegt. Nachwachsende Rohstoffe, Wasserrecycling, erneuerbare Energieproduktion, Nahwärmeerzeugung, Lebensmittelproduktion, Naherholung, Sport, Bildung, Wohnen und Arbeiten begegnen sich und schaffen einen vielfältigen, gemischt genutzten, energieautarken, resilienten und somit zukunftsfähigen Lebensraum.